Welche (finanzielle) Unterstützung von der Krankenkasse steht mir für mein Kind mit Behinderung zu?
Aktualisiert: 27. Nov.
Das Leben mit einem behinderten Kind stellt jedes Elternteil nicht nur emotional, mental und zeitlich vor enorme Herausforderungen. Auch finanziell kommen neue Fragen hinzu. Euch als Eltern steht in Deutschland ein ganzes Bündel von Hilfen zu. In dem folgenden Blogbeitrag findest du eine Liste der finanziellen Ansprüche, die übernommen werden. Außerdem kannst du hier nachlesen, was du beachten solltest, wenn du den Pflegegrad und Schwerbehindertenausweis beantragst.
Krankenkasse, Pflegekasse, Sozialamt & finanzielle Ansprüche: (aktualisiert Oktober 2023)
Mutterschutz und Mutterschaftsleistungen
Kommt ein Kind mit einer Behinderung zur Welt oder wird in den ersten acht Wochen nach der Geburt eine Behinderung festgestellt, gelten beim Mutterschutz besondere Regelungen. Die Schutzfrist verlängert sich von 8 auf 12 Wochen. Entsprechend verlängern sich auch die Mutterschaftsleistungen, mit denen das Einkommen der Mutter gesichert wird. Die Mutterschaftsleistungen sind dafür da, dein Einkommen zu sichern, wenn du während deiner Schwangerschaft oder nach der Geburt deines Kindes nicht arbeiten darfst, z.B. während der Mutterschutzfristen.
Während der Mutterschutzfrist bekommest du:
Wenn du gesetzlich versichert bist: Mutterschaftsgeld deiner Krankenkasse.
Wenn du privat krankenversichert oder bei einer gesetzlichen Krankenkasse familienversichert bist: Mutterschaftsgeld des Bundesamtes für Soziale Sicherung.
Wenn dein durchschnittlicher Nettolohn pro Tag höher als 13 Euro ist: Arbeitgeber-Zuschuss zum Mutterschaftsgeld.
Kindergeld
Normalerweise erhalten Eltern Kindergeld bis zu deren 18. Lebensjahr. Für Kinder mit Behinderung entfällt diese Altersbegrenzung. Kindergeld kann dann also nach dem 18. Geburtstag weiter beantragt werden. Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor dem vollendeten 25. Lebensjahr eingetreten ist – und, dass dein Kind ein max. Jahreseinkommen von 9.408 Euro aufweisen kann (was bei der Arbeit in WfMmB der Fall ist).
Krankenkasse/-versicherung
Die gesetzliche Krankenversicherung zahlt Leistungen zur Früherkennung und Behandlung von Krankheiten. Darunter fallen nicht nur Arztbesuche, sondern auch verschreibungspflichtige Arzneimittel (z. B. Abführmittel, Anti-Epileptika, uvm.), sogenannte "Heilmittel" wie Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und Massagen sowie Hilfsmittel wie Hörgeräte, Sehhilfen, Prothesen oder Rollstühle*'. Für gesetzlich krankenversicherte Eltern gilt außerdem, dass sie Leistungen von der Krankenkasse erhalten, sofern Sie wegen der Erkrankung/Behinderung des Kindes nicht arbeiten gehen können oder Hilfe bei der Betreuung benötigen.
Pflegeleistung (= Pflegegrad)
Du hast Anspruch auf Pflegegeld. Voraussetzung für eine Leistung durch die gesetzliche Pflegeversicherung ist, dass du (oder das andere Elternteil) in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag mind. zwei Jahre gesetzlich versichert warst! Die Höhe der Unterstützung hängt von der sog. "Pflegebedürftigkeit" deines Kindes ab. Über den Pflegegrad entscheidet ein Gutachter oder eine Gutachterin des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse (= MDK). Je nach Pflegegrad unterscheidet sich der monatliche Beitrag:

Was du bei der Beantragung des Pflegegrades beachten solltest, findest du weiter unten in diesem Blogbeitrag!
Entlastungspflege
Um die Betreuung und Pflege deines Kindes sowie die Organisation des Alltags und deine Entlastung zu gewährleisten, übernimmt die Pflegekasse Kosten für eine "Verhinderungs- oder Kurzzeitpflege". Entlastungspflegeleistungen sind also z.B. eine Tages- Nachtpflege, Kurzzeitpflege, Verhinderungspflege, Kombileistung, Pflegedienste und Haushaltshilfe. Eine hervorragende Übersicht hierzu findest du hier: https://pflege-dschungel.de/#
Eine Haushaltshilfe wird von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt, wenn ihr als Eltern wegen eines Krankenhausaufenthaltes, Vorsorge oder Krankenpflege den Haushalt alleine nicht bewältigen könnt.
Darüber hinaus steht euch ein monatlicher Entlastungsbetrag von 125 Euro zu. Dieser kann zum Beispiel für eine Tagespflege oder andere entlastende Dienste genutzt werden - ist aber auch immer abhängig davon, wie ihr eure restlichen Pflegeleistungen kombiniert.
Auch der sogenannte "Familienentlastende" oder "Familienunterstützdende Dienst" fällt hierunter. Hier kannst du dich an diverse Träger in deiner Umgebung wenden - z. B. die Lebenshilfe e.V. oder du suchst privat nach Babysittern. Der FED/FUD über Träger stellt euch als Familie Unterstützung in der Pflege/Betreuung zur Verfügung, ihr müsst dementsprechend nicht selbst nach Betreuern*innen suchen.
Nachbarschaftshilfe
In einigen Bundesländern besteht die Möglichkeit, dass auch geeignete
Einzelpersonen, d. h. „Nachbarschaftshelfer“ für bis zu zwei anspruchsberechtigte Pflegebedürftige pro Kalendermonat bzw. Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz gem. § 45 a SGB XI die aktivierende Einzelbetreuung/ -anleitung übernehmen können. Hierzu muss ein besonderer Kurs besucht werden - Privatpersonen können sich demzufolge durch einen Kurs zum Nachbarschaftshelfer ausbilden lassen und dann die Betreuungsleistungen abrechnen. Weitere Infos hierzu solltest du bei deiner Krankenkasse erhalten!
Persönliches Budget
Menschen und somit auch Kinder, die mit einer Behinderung leben, haben einen Anspruch auf das "Persönliche Budget". Dieses besteht in der Regel aus Geldleistungen - bist aber je nachdem abhängig von dem Einkommen der Eltern (Freizeitbegleitung z.B.). Du kannst das Persönliche Budget für dein Kind bei den zuständigen Kostenträgern (je nach Bundesland unterschiedlich: Sozialamt, Jugendamt, LVR, Pflegekasse, Rentenversicherung, Krankenkasse) beantragen. Der Antragsprozess kann unter Umständen etwas herausfordernd sein, es gibt Vereine, die hierbei unterstützen: Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL) bietet beispielsweise eine solche an.
Blindenbeihilfe
Blinde Menschen haben in z. B. in NRW Anspruch auf Blindengeld in folgender Höhe (Stand: 01.07.2022):
Kinder und Jugendliche: 421,61 Euro
Diese Leistung wird unabhängig von Einkommen und Vermögen an euch gewährt. Das Blindengeld kann online bei dem jeweiligen Landschaftsverband beantragt werden.
Zuschuss für Umbauten
Ab Pflegegrad 1 habt ihr Anspruch auf einmalig bis zu 4.000 Euro für notwendige Umbaumaßnahmen der Wohnung (=Eigenheim). Sollte die Unterstützung aus der Pflegekasse nicht ausreichen, dann kannst du „Hilfe zur Pflege“ erhalten. Die Kosten werden dann vom Sozialamt übernommen. Die Voraussetzung ist, dass ihr eure Einkommens- und Vermögenssituation offenlegen müsst. Je nachdem wird der Zuschuss bewilligt oder nicht.
Schwerbehindertenausweis
Kinder mit Behinderung bekommen zum Ausgleich von Nachteilen, die durch die Behinderung entstehen, Nachteilausgleiche. Dazu müssen der Grad der Behinderung (GdB) und mögliche Merkzeichen festgestellt werden. Ab einem GdB von 50 gelten Menschen mit Behinderung als schwerbehindert und können einen Schwerbindertenausweis erhalten. Die amtliche Feststellung einer Behinderung bringt nicht nur einen Steuerfreibetrag mit sich, sondern berechtigt zu verschiedenen Vergünstigungen, je nach Grad der Behinderung. Beispiele hierfür sind die kostenlose Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr , Parkerleichterungen oder ein ermäßigter Rundfunkbeitrag. Viele private Unternehmen bieten weitere Vergünstigungen an, auf die kein gesetzlicher Anspruch besteht. Der Ausweis wird in den meisten Bundesländern beim jeweiligen Sozialamt des Wohnortes beantragt.
Kinder mit einer (drohenden) Behinderung können im Rahmen der Frühförderung von der Geburt bis zum Schuleintritt individuell gefördert werden. Dazu kommen verschiedene Leistungen der Eingliederungshilfe in Frage. Ansprechpartner sind die jeweiligen Landschaftsverbände LVR und LWL oder euer sozialpädiatrisches Zentrum.
*' Zum Thema Hilfsmittel findest du hier einen extra Beitrag: https://www.elisadiazperez.com/welche-pflege-hilfsmittel-stehen-meinem-kind-zu-und-wo-beantrage-ich-
Wo beantrage ich finanzielle Hilfen und Ansprüche für mein Kind mit Behinderung?

Die einzelnen Anlaufstellen kannst du der Liste oben entnehmen. Zusammenfassend lassen sich jedoch folgende wichtige Stellen für dich nennen:
Krankenkasse
Pflegekasse ( by the way Krankenkasse & Pflegekasse sind zwei Begriffe, die eng miteinander verknüpft , jedoch nicht das Gleiche sind. Denn während die Krankenkasse gemäß geltender Richtlinien die Kosten „ganz normaler“ vom (Haus)arzt verordneter Behandlungen und Medikamente übernimmt, ist die Pflegeversicherung Kostenträger, falls eine nachgewiesene Pflegebedürftigkeit vorliegt!
Landschaftsverbände
Sozialamt
Jugendamt ( hier unterscheidet sich die Art der Eingliederungshilfe eigentlich nicht. Grundsätzlich ist das Jugendamt bei "seelischer Behinderung" (Autismus-Spektrum-Störungen z.B.) , das Sozialamt bei "geistiger" und "körperlicher Behinderung" (ICP z.B.) zuständig.
Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ)
Selbsthilfegruppen oder Vereine (in Düsseldorf z.B. die gemischte tüte e.V., bundesweit z.B. die Lebenshilfe e.V.)

Was muss ich beachten, wenn ich für mein Kind mit Behinderung einen Antrag auf Pflegegeld etc. stellen möchte?
Nachdem du einen formlosen Antrag (geht z. B: auch telefonisch) gestellt hast, erfolgt die Begutachtung durch einen Mitarbeiter*in des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse (=MDK). Wichtig: Der MDK vereinbart immer einen Termin zur Begutachtung - es findet keine Begutachtung ohne einen vorher vereinbarten Termin statt. Bei der Antragsstellung auf einen Pflegegrad hat die Pflegekasse gesetzlich vorgegebene Bearbeitungsfristen von 25 Arbeitstagen einzuhalten.
Kleinkinder haben generell einen Pflegebedarf, sie sind damit jedoch nicht gleich pflegebedürftig. Für die Gutachter des MDK gilt es also zu prüfen, inwiefern dein Kind über den normalen Pflegebedarf hinaus zusätzliche Unterstützung benötigt.
Deshalb ist es wichtig, dass du dir bewusst machst, dass die MDK Termine immer sehr defizitorientiert sind. Wichtig ist, dass du hervorhebst, was dein Kind im Vergleich zu Gleichaltrigen alles nicht selbstständig bewältigen kann und im erhöhten Maß von dir bzw. der Unterstützung einer anderen Person abhängig ist. Hier legt der MDK ein besonderes Augenmerk auf pflegerische Tätigkeiten, wie z.B. erschwertes Zähneputzen, nicht selbstständiges Essen, Windeln wechseln, Hilfe beim An-/Ausziehen, uvm. Achte beim Antrag auf Pflegegeld darauf, nichts zu beschönigen - so schwer dies auch fällt. Es geht hierbei nicht um dein persönliches Belastungsempfinden, sondern um einen nachweislich erhöhten Pflegebedarf zum Vergleich zu gleichaltrigen Kindern.
Das Pflegegeld ist nichts, das sich irgendein Elternteil wünscht oder ein Luxus, den ihr genießt, sondern eine finanzielle Unterstützung, die dabei helfen soll durch die Behinderung entstehende Herausforderungen, die Familien mit Kindern ohne Behinderung in unserer Gesellschaft eben nicht haben, auszugleichen.
Was kann ich tun, wenn ich mit einer Entscheidung der Krankenkasse nicht einverstanden bin? Gibt es Möglichkeiten des Widerspruchs oder der Beschwerde?
Zunächst einmal gelten auch für die Krankenkasse gewisse Fristen. Ist die Stellungnahme eines Gutachters erforderlich (also MDK), haben die Krankenkassen innerhalb von fünf Wochen nach Eingang des Antrages zu entscheiden, ob die Leistung bewilligt wird. Kann sie die Frist nicht einhalten, muss sie euch rechtzeitig und in schriftlicher Form mit einer Begründung informieren. Erfolgt nach Ablauf der Frist keine schriftliche Begründung, gilt der Antrag auf eine Leistung vorläufig als bewilligt (Az. B 1 KR 9/18/R). Ihr könnt euch dann die erforderliche Leistung selbst besorgen und bekommt bei Bewilligung durch die Krankenkasse die Kosten erstattet. Die Kasse kann aber auch nach Ablauf der Frist den Antrag auf Leistung ablehnen.
Was muss ich bei einem Widerspruch beachten?
Möchtest du dich gegen einen ablehnenden Bescheid wehren? Dann müsst ihr bei der Krankenkasse schriftlich Widerspruch einlegen. Hierfür habt ihr nach Zugang des Bescheides einen Monat Zeit. Im ersten Schritt müsst ihr den Widerspruch nicht begründen, sondern nur der Entscheidung widersprechen. Wichtig ist aber, dass ihr euch dabei konkret auf den Bescheid und das Aktenzeichen bezieht! Und nochmal: Ein Widerspruch gilt nur schriftlich!! Schickt ihn also am besten per Einschreiben an die Krankenkasse. Ein Widerspruch per Telefon oder E-Mail ist rechtlich nicht gültig bzw. ausreichend.
Ist der Widerspruch bei der Krankenkasse eingelegt, ist es in jedem Fall ratsam, mit Hilfe von Ärzten individuelle medizinische Gründe und Unterlagen zusammenzutragen und den Widerspruch ausführlich zu begründen. Auch Bezug auf aktuelle Gesetze zu nehmen oder andere Fallbeispiele zu nennen ist hilfreich.
Als Folge eures Widerspruchs wird ein zweiter Bescheid der Krankenkasse eingehen. Die Krankenkasse hat die Möglichkeit, die Leistung durch einen Abhilfebescheid doch noch zu bewilligen oder aber erneut mit einem Widerspruchsbescheid abzulehnen.
Was muss ich bei einer Klage beachten?
Wenn der Widerspruch abgelehnt werden sollte, könnt ihr innerhalb einer Monatsfrist Klage vor dem Sozialgericht einreichen. Dabei empfehle ich einen Fachanwalt*anwältin einzubeziehen. Eine mögliche Adresse ist hier: https://kanzleispecialneeds.de
Wenn über euren Widerspruch nicht innerhalb von drei Monaten entschieden und kein Widerspruchsbescheid erlassen wird, könnt ihr ebenfalls eine Klage einreichen - die sogenannte Untätigkeitsklage.
Was bedeutet ein Widerspruch für uns als Familie?
Ich möchte dich darauf hinweisen, dass ein Widerspruchsverfahren in den (aller)meisten Fällen eine zähe und lange Angelegenheit ist. Ich persönlich empfehle immer, den Kontakt mit Kostenträgern positiv zu gestalten und telefonisch beispielsweise nachzuhaken, warum ein Antrag abgelehnt wurde. Ich weiß aber auch, dass einige Sachbearbeiter*innen einen positiven Kontakt auf Augenhöhe erheblich erschweren, dann ist ein Widerspruch oftmals die letzte bzw. einige Lösung.